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Schrotzburg

Schrotzburg

I.

Auf seiner Burg, dem grauen Klotz
sitzt missvergnügt der Ritter Schrotz.
Was nutzt der Blick auf Ried und Rhein?
Die Wurst ist aus, es fehlt an Wein!

Nun stapft auch noch sein Weib herbei
und schreit, dass er ein Faulpelz sei.
„Sitzt da und glotzt. Es ist ein Graus!
Schaff’ endlich wieder Geld ins Haus!
Steh’ auf und leg’ die Rüstung an,
nimm Schwert und Schild und alle Mann
und raub’ den nächsten Kaufzug aus!“

Schrotz steht auf. „So ist es eben“,
sagt er, „unser Ritterleben“.

II.

Pferdeschnauben, Schwerterschall –
Händlerfluchen. Überfall!

Schrotz massiert sich froh das Kinn.
„Seht nur diese Beute, Leute –
dieses ist ein Glückstag heute
und so ganz nach meinem Sinn.

Wein und Rauchwurst, Salz und Stoffe,
Tüchlein fast wie Tau so fein –
da wird selbst mein Weib – ich hoffe! –
stundenlang zufrieden sein!

Und die fetten Handelsherrn,
die mit dem Geld so prahlen –
die haben wir besonders gern,
die setzen wir von früh bis spät
auf die berühmte Turmdiät,
bis die Verwandten zahlen.“



III.

Zorn erfasst den Rat der Orte
und er spricht die Schicksalsworte:
„Stellen wir ein Heer zusammen,
ziehen vor das Schrotzenhaus,
setzen ihm die Burg in Flammen,
nehmen dieses Raubnest aus!“





IV

Schrotz steht keuchend auf dem Turme,
Arm verbunden, Helm zerdällt.
Wieder bläst der Feind zum Sturme,
bald ist nichts, was ihn noch hält.



V

Aus den Luken, aus den Dächern
schießt das Feuer in die Nacht –
Schrotz und seine Raubgefährten
haben dieses selbst entfacht
und sich dann auf dunklen Pfaden
unbemerkt davongemacht.



VI

Und der Kaufmann, der gefangen
hilflos noch im Käfig steckt?
Diesen trifft die Wut der Flammen –
elend ist der Mann verreckt.



VII

Dringend sei nun abgeraten
nachts an jenen Ort zu gehen,
wo noch heute letzte Mauern
von des Ritters Wohnsitz stehen.

Denn in mondlos lauen Nächten
wenn im Fels das Käuzchen schreit
dann ist Schrotzens Geist nicht weit,
dann ist Schrotz-Gespensterzeit!



VIII

Damit ist dies Lied zu Ende –
Lied von Schrotz, dem Kaufmannsgraus.
Loben wir die Zeitenwende –
trinken wir auf heute, Leute,
sinnend noch ein Gläschen aus!

(G. Hipp, März 2000)





Anmerkung: Die Schrotzburg auf dem Schienerberg bei Schienen im Hegau war eine berüchtigte Raubritterburg. Raubritter Werner von Schienen erscheint im Reim als Ritter Schrotz. Belagerung und Ende der Burg mit Gefangenem (1441) authentisch.



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