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Die Drachen vom Glastal

Die Drachen vom Glastal

Ein Märchen



Vor langer, langer Zeit, als die Männer noch hart waren und die Frauen noch Kinder kriegten, da hauste im Glastal nahe der Wimsener Höhle ein Drachenpaar. Olaf und Frigga.
Den beiden ging es gut. Sie lebten von den Tieren des Waldes und von Opfergaben, die ihnen Wanderer und Kaufleute brachten, denn das Sträßchen durch das Tal war damals viel begangen, beritten und befahren.

Ihr Tagesablauf war weitgehend friedlich und geregelt. Morgens trieb Olaf Sport – er war ein guter Steinschleuderer – und Frigga säuberte die Höhle. Nachmittags suhlten sie sich im Hasenbach und Frigga schrubbte Olaf mit einem frisch ausgerissenen Weidenbusch den Rücken, wobei er freudig „fester, fester!“ schrie. Dann suchten sie ein sonniges Plätzchen auf und dösten.

Keine Idylle bleibt ungestört. Eines Tages führte der Zufall Sankt Georg, den berühmten Drachentöter nach Zwiefalten. Dort, im Brauereigasthof, hörte er von Olaf und Frigga. Sagen wir gleich: Georg war ein außergewöhnlich starker, tapferer und auch heiliger Ritter, aber ein bisschen langsam von Begriff. Hauptschulabgang nach der sechsten Klasse. So brauchte er ziemlich lange, um wenigstens halb zu glauben, dass es im Glastal keine, aber auch gar keine gefangene Königstochter gab. Da wäre ja noch die Bedienung von der Gaststätte Wimsener Höhle, meinte einer, aber der hatte deutlich schon zu viel getrunken.

Entscheidend war schließlich, dass Georg nur noch zwei erlegte Drachen zur sagenhaften Zahl fünfundzwanzig fehlten. „Ich werde Euch von den Unholden befreien“, verkündete er. „Als Siegeszeichen bringe ich ihre Zähne mit. Die versteigern und versaufen wir im Wirtshaus bei der Höhle. Morgen, am Spätnachmittag.“

Als Olaf und Frigga am nächsten Nachmittag friedlich schlummerten, wurden sie von einem Gebrüll rau aus dem Schlaf gerissen:

„Komm heraus, du fürchterlicher Drache, du Schrecken des Tales, dein Bezwinger ist da!“

Olaf rührte sich nicht. „Bleib liegen“ sagte er nur zu seiner Frau.

„Lintwurm, hörst Du nicht gut?“

„Bleib’ liegen!“

„Du elende Blindschleiche, wird’s bald?“

Das war zuviel!

Olaf erhob sich und sah sich um. Aha - da saß St Georg wie im Bilderbuch auf seinem stolzen Hengst, in gleißender Rüstung, mit Lanze, Schild und Schwert, das eine schöner als das andere.

Der nun folgende Kampf war kurz und ungewöhnlich.

Olaf watschelte ein paar Schritte auf Georg zu, riss den Rachen auf und spuckte Feuer. Der Hengst bäumte sich vor Schreck auf, warf seinen Reiter ab und stob davon.

Georg stand wieder auf, sammelte sich und stellte sich zum Kampf.

Ja, und nun kommt es: Wieder sperrte der Drache das Maul auf. Aber statt Feuer zu spucken, brüllte er mit fürchterlicher Stimme: „Wenn drei Ritter in zwei Stunden sechs Drachen töten, wie lange braucht dann EIN Ritter für zwei Drachen?“

Oh Gott! Dreisatzaufgaben hatte St. Georg schon immer gehasst... Verstört begann er, an seinen Fingern herumzurechnen. Der Drache grinste und näherte sich unauffällig einem amboßähnlichen Felsblock, auf dem ein kopfgroßer Stein lag. Was anschließend geschah, bekam St. Georg nicht mehr mit. Sie erinnern sich – „guter Steinschleuderer“. Das Untier zog seinen Schwanz ganz nach links und schnellte ihn dann blitzschnell gegen den Steinbrocken. Dieser zischte durch die Luft, traf St. Georg an der Brust und schleuderte ihn zehn Meter weiter an eine Felswand. Ein Knall, großes Geschepper - die Rüstung löste sich in ihre Bestandteile auf, und St. Georg glitt in zwei Teilen zum Fuße des Felsens herab.

„Frigga, jetzt bist Du dran!“ schrie der Drache. Frigga kam mit Besen und Netz, kehrte alles Verwertbare zusammen und steckte es ins Netz. Dann hängte sie das ganze in den Forellenteich vor der Gaststätte „Wimsener Höhle“. In ein paar Stunden hatten die Fische alle Knochen säuberlich abgenagt.

Die von St. Georg angekündigte Siegesfeier konnte unter diesen Umständen nicht stattfinden. Rasch sprach sich dagegen herum, dass es jetzt an einem Stand bei der Höhle frische Reliquien von St. Georg gebe. Solange der Vorrat reiche...

(G. Hipp, 26.7.2004)

(Märchen,Glastal.doc)











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